Die fünf Hüllen (koshas) und drei Körper (shariras)

Es gibt eine Reihe von philosophischen Grundlagen für den Yoga. Dazu gehören auch die fünf Hüllen und drei Körper. Sie versuchen letztlich alle Antworten zu geben auf die grundsätzlichen Fragen des menschlichen Daseins. Yoga ist keine Religion, kein Glaubenssystem. Immer geht es um Deine persönliche Erfahrung! Und die Yoga Philosophie kann Dich dabei unterstützen, immer mehr Klarheit zu gewinnen über Deine Wirklichkeit und Deinen persönlichen Platz in ihr.

Nach der Yoga Philosophie bilden drei "Körper" (sharias) die Hauptebenen der menschlichen Existenz. Sie sind zusammen das, was wir näherungsweise Ausstrahlung nennen würden, also etwas, das nicht sichtbar ist und von der Wahrnehmung des Gegenüber abhängt. Diese Körper bilden unsere menschliche Form und beherbergen zusammen mit den koshas ("Hüllen") unsere Seele, unseren inneren Kern (atman), unser wahres Selbst. Diesen Kern wollen wir im Yoga wiederfinden, freilegen, entdecken, in dem wir unseren Geist zur Ruhe bringen und so die Sicht auf uns Selbst wieder möglich wird. Die Hüllen sind ohne Materie (also ohne greifbare Form), sondern immateriell - Energie, Geist. Im Einzelnen sind dies:

  1. sthula sharira - der physische Körper
    Die sthula sharira ist identisch mit der Hülle der Nahrung, der annamayakosha - sie versorgt den physischen Körper mit Nahrung. Wir wissen alle, dass die Qualität unserer Nahrung entscheidend für unser Wohlbefinden und die Gesundheit unseres Körper ist. Eine solcher Körper ist sicher eine notwendige Voraussetzung, damit wir  Freude, Kraft, Mut, Selbstvertrauen und Willenskraft erleben und leben können.
  2. sukshma sharira - der astrale Körper
    Die sukshma sharira wird gebildet von den drei koshas pranamayakosha, manomayakosha und vijnanamayakosha.
  3. karana sharira - der kausale Körper
    Die karana sharira ist jenseits alles stofflichen und ist identisch mit der anandamayakosha - sie ist der Zugang zu höheren Bewusstseinsebenen und letztlich zu unserer Seele. Ist dieser Körper klar und frei, spüren wir Stille, tiefe Verbundenheit, Einheit und Licht.

Die koshas sind also nach der Yoga Philosophie Hüllen, im Sinne von subtileren Ebenen der menschlichen Existenz. Hier versuchen wir auch wieder über etwas zu sprechen, das wir als ungeübte, normal bewusste Menschen mit unseren Sinnen in der Regel nicht oder kaum wahrnehmen können.

"Die physische Hülle wird von der vitalen Hülle gefüllt.
die vitale Hülle von der mentalen Hülle.
die mentale Hülle von der intelligenten Hülle
und die intelligente Hülle von der himmlichen Hülle."
तैत्तिरियोपनिष्हद्  Taittiriya Upanishad

... wenn Du im Internet "koshas" suchst, wirst Du unterschiedliche bildliche Darstellungen finden. Einmal wird die annamayakosha (Nahrungshülle) so dargestellt, dass sie direkt unseren Körper umgibt und die anandamayakosha (Hülle der Glückseligkeit) ganz außen liegt. Ein anderes Mal zeigen Bilder genau das Gegenteil - die anandamayakosha umgibt direkt atman, die Seele, und die annamayakosha liegt ganz außen. Macht für mich persönlich irgendwie auch mehr Sinn und nach der oben stehenden Beschreibung der Taittiriya Upanishad wäre auch letzteres korrekt. Besser aber Du machst Dir einfach kein allzu konkretes Bild über diese immaterielle Sache ...

Die Idee oder Vorstellung dieser Hüllen ist für uns durchaus hilfreich, wenn wir die eigene Entwicklung - weg von der Identifikation mit äußeren Dingen, hin zu reinem Bewusstsein - verstehen möchten. Vieles in unserem Alltag können wir nicht wahrnehmen und dennoch sind diese Dinge existent und wirksam (zum Beispiel elektromagnetische Wellen, Radioaktivität). Diese fünf Hüllen überlagern und durchdringen sich. Bildlich gesprochen umgeben diese fünf koshas unseren inneren Kern:

  1. annamayakosha, die Hülle der Nahrung, die Ebene des physischen, grobstofflichen Körpers, ist identisch mit der sthula sharira
  2. pranamayakosha, die Hülle der Energie, die Ebene des astralen, feinstofflichen Körpers, sukshma sharira
  3. manomayakosha, die Hülle der Gedanken, des Geistes, der Emotionen, die Ebene des astralen, feinstofflichen Körpers, sukshma sharira
  4. vijnanamayakosha, die Hülle der Intuition, des Intellekts, der Einsicht, des Verstehens und der Weisheit, die Ebene des astralen, feinstofflichen Körpers, sukshma sharira
  5. anandamayakosha, die Hülle der Glückseligkeit, die Ebene des kausalen Körpers jenseits des stofflichen, ist identisch mit karana sharira

Die koshas bilden schützende und gleichzeitig im besten Fall - das ist das Ziel - auch durchlässige Hüllen. Sie sind eng miteinander verwoben und bilden zusammen ein harmonisches Ganzes, so wie es auch Deine unterschiedlichen Persönlichkeiten in Dir tun. Durch die Praxis des Yoga insgesamt

  • wird Deine Wahrnehmung auch dieser Hüllen immer subtiler
  • werden die koshas "gereinigt" und damit gegeneinander immer durchlässiger

Sie werden durchlässiger von außen nach innen und durchlässiger von innen nach außen. Frei und deutlich strahlt dann Dein Selbst nach außen. Wahrnehmbar, spürbar, sichtbar für andere.

Warum ist es von Bedeutung, die koshas zu "reinigen"?
Wie können sie gereinigt und somit durchlässiger werden?

Im Hatha Yoga schulen wir unsere Wahrnehmung von uns selbst. Jede asana, jedes pranayama, jede Minute, die Du still sitzt, entwickelt Deine Fähigkeit

  • Deinen physischen Körper besser zu spüren,
  • Deinen Energiekörper zu entdecken und den Fluss der Energie zu lenken
  • mehr und mehr in die Rolle des wertungsfreien Beobachters Deines "Ich" zu kommen,
  • gezielt Deine Gedanken zur Ruhe kommen zu lassen.

Wir wollen im Yoga unseren Geist befreien von der Identifikation mit Dingen der äußeren Welt. Dies ist mit einem gesunden Körper vorstellbar, sonst wird Deine Aufmerksamkeit gefangen sein von Leid und Schmerz. Selbst mit einem kranken oder geschwächten Körper kannst Du dennoch beginnen, leichte asana und pranayama zu praktizieren. Ist das Niveau Deiner Energie niedrig (fühlst Du Dich schwach?), wird Dir vermutlich die nötige körperliche Stabilität, die Antriebskraft und das Durchhaltevermögen fehlen, dauerhaft Deinen Yogaweg gehen zu können.

Ist Dein Geist sehr unruhig und sprunghaft, kannst Du Dich mit ziemlicher Sicherheit nur schwer konzentrieren, dann wird es Dir kaum gelingen, Deine Aufmerksamkeit auf Dein Ziel, auf eine Sache gerichtet zu halten. Ist Dein Leben zu voll, hast Du viele "Baustellen", dominiert Dich Deine Vergangenheit (Erinnerungen), fühlst Du Dich unverstanden usw., dann gibt es wahrscheinlich (noch) keinen inneren Raum in Dir, Dich um Deine spirituelle Entwicklung kümmern zu können.

Für uns nahe liegend und leicht verständlich ist der annamayakosha - die Nahrungshülle. Qualität und das bewusste Aufnehmen von Deinem Essen und Trinken beeinflussen maßgeblich diese Ebene Deines Seins. Und dies ganz praktisch in Deinem Alltag! Das ist nichts Neues. Wie fühlst Du Dich, wenn Du bestimmte Dinge isst oder trinkst? Sicher ganz unterschiedlich. Die Qualität der Luft hat (erst einmal) auch auf der physischen Ebene eine Wirkung auf unseren Körper. Letztlich wird sich all das auswirken, was Du im Laufe Deines Lebens Deinem Körper zuführst und womit er in Berührung kommt - Medikamente, Impfungen, Stoffe, Kleidung, Kosmetik, Verpackungen...

Was kannst Du also hier tun? Kein Fleisch, kein Fisch, überwiegend Wasser und Tee trinken, einfachste selbstgemachte Kosmetik (wenn überhaupt), nur Bio-Produkte, einfache möglichst unverarbeitete Lebensmittel. Keine Arzneimittel (Die Empfehlungen Deines Arztes werden hier nicht in Frage gestellt!). Regelmäßige Reinigungen wie das Fasten. Bewegung. Ruhe. Wahrnehmen. Nachdenken. Alles selbstverständlich im Rahmen des Möglichen und für Dich Sinnvollen.

Subtiler ist schon der pranamayakosha - die Energiehülle. Sie steht in engem Verbund mit allen anderen Hüllen, inbesondere der Nahrungshülle und versorgt den physischen Körper mit Energie. Du hast vielleicht auch schon das Kribbeln, Pulsieren, die Wärme oder das Licht gespürt, nachdem Du asana und pranayama geübt hast. Das ist fließendes prana, fließende Lebensenergie. Der pranamayakosha ist die Ebene der nadis, der chakren und der vayus - also der feinstofflichen Energiekanäle (ähnlich der Meridiane), der Energiezentren oder Energiewirbel (muladhara, swadhisthana, manipura, anahata, vishudda, ajna und sarashara chakra) und der feinstofflichen Energieebenen (dazu später mehr).

Durch Yoga erhöhen wir das Energieniveau im Körper - dies besonders durch die asana und pranayama. Wir harmonisieren die Lebensenergie direkt durch Atemübungen, bringen diese Energie zum Fließen und in Balance innerhalb der Gehirn- und Körperhälften. So kommen Heilprozesse in Gang. Negativem können wir so besser begegnen. Harmonisiert sich Deine Atmung, wird also eine Balance zwischen der Tätigkeit Deiner beiden Gehirnhälften hergestellt, wird Deine Atemfrequenz deutlich langsamer. Sinkt Deine Atemfrequenz, werden auch Deine Gedanken im Kopf weniger und ruhiger. Dein ganzes System wird auf diese Weise zu Ruhe kommen.

Der manomayakosha - die Hülle der Gedanken, des Geistes und der Emotionen - der Mentalkörper. Dies ist nach der Yoga Philosophie die elementare und Instinkt geprägte Ebene der mentalen Erfahrungen im Hinblick auf unsere basalen Bedürfnisse und Wünsche wie Nahrung finden, ein Dach über den Kopf haben, Partnerschaft.

Hier leben alle Ergebnisse unserer Sinneswahrnehmungen sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen. Die Yogis unterscheiden hier vier Teile: Instinkt, Ich-Bewusstsein, Gedächtnis und Verstand.

 

  1. Der Instinkt (manas)
    Seine wesentliche Aufgabe besteht darin, die vielfältigen Eindrücke unserer Sinne vorzusortieren und die Handlungsorgane zu steuern. Manas kann durch die Beherrschung von prana kontrolliert werden. Die Handlungsorgane (karmendriya) sind Mund (mukha), Hände (hasta), Füße (pada), Ausscheidungs- (payu) und Fortpflanzungsorgane (upastha).
  2. Ich-Bewusstsein (ahamkara)
    Das ist unser "Ego", der Ich-Macher. Dieses Ich-Bewusstsein ist ständig bemüht, sich als getrenntes Wesen zu bestimmen. Für die Yogis ist ahamkara die Ursache all unseren Leids.
  3. Gedächtnis (chitta)
    Hier reden wir über das, was wir Erinnerung nennen würden. Das ist die Ebene die permanent die von manas gelieferten Sinneseindrücke interpretiert und beurteilt.
  4. Verstand (buddhi)
    Im Zusammenhang mit der manomayakosha ist buddhi - so die Yoga Philosophie - eine basale Stufe unseres Verstandes und steuert elementare Funktionen unseres Körpers zur Bewältigung unserer alltäglichen Aufgaben und Arbeiten.

Vijnanamayakosha - die Hülle der Intuition, des Intellekts, der Einsicht, des Verstehens und der Weisheit - sie ist die Ebene des höheren buddhi. Zu ihr erhälst Du nach und nach Zugang, wenn Du Yoga praktizierst und damit auf der Ebene der unteren drei koshas arbeitest.

Es geht hier darum, die Vorstellung Deines Lebens immer konkreter werden zu lassen. Vijnanamayakosha liegt zwischen den angrenzenden Hüllen manomayakosha und anandamayakosha, so dass sozusagen nun der untere Verstand in Verbindung steht mit der Reflektion des Atman, der absoluten Wahrheit, Schönheit und Glückseligkeit.

Anandamayakosha - die Hülle der Glückseligkeit. Was kann man dazu sagen - ohne einfach irgendwo abzuschreiben? Nach der Yoga Philosophie ist dies die Ebene unseres Bewusstseins, die wir erreichen können, wenn sich alle Einflüsse aus karma, samskaras und kleshas aufgelöst haben. Dann widerspiegelt sie Deine individuelle Seele (atman).

Ist Dein karma nicht mehr wirksam - gibt es also keine negativen Folgen und Verstrickungen mehr all Deiner Handlungen und Gedanken - dann kommt Deine Seele in eine Balance. Sie ist über viele Inkarnationen gereift und die Inkarnationen kommen zum Abschluss. Die Samskaras sind vereinfacht gesagt die Summe Deiner (unbewussten) geistigen Eindrücke, Deiner gemachten Erfahrungen, Erinnerungen, Bilder - vielleicht könnte man vereinfachend Psyche sagen. Kleshas sind Leidenschaften (Leid verursachendes Verlangen). Sie entstehen nach der Yoga Philosophie aus Unwissenheit oder Nichtwissen (ayidya), Identifizierung mit dem Ich-Gefühl (asmita), Mögen und Nichtmögen (raga dvesha) und der Angst vor dem Tod (abhinivesha).